Was vor hunderten von Jahren eventuell einen evolutiven Vorteil geboten haben könnte – die gruppendefinierende Funktion der Religion – ist heute eines der größten Probleme der Menschheit. Die Opfer der Religion werden innerhalb Ihrer Gruppe gehalten durch eine Mischung aus Heilsversprechen im Jenseits, der irrigen Annahme, man könne kein guter altruistischer Mensch sein ohne Religion, schlichten sozialen Druck und der Furcht vor Ausgrenzung. Gegenüber Außenstehenden hingegen muss man sich abgrenzen, da man sonst die wenigen Vorteile die eine solche Gruppe bieten könnte, verliert. Daher teilen Religionen Menschen von jeher in „gehört zu unserer Gruppe“ und „gehört nicht zu unserer Gruppe“. Dies mag ein grundlegendes menschliches Verhalten sein, wird aber in Kombination mit dem totalitären Anspruch „die Wahrheit“ zu kennen verhängnisvoll. Jede der gängigen Religionen tritt ohne Ausnahme mit dem Anspruch auf, die einzige im Besitz „der Wahrheit“ zu sein um sich von den anderen abzugrenzen. Dieses Gruppendenken führt immer dazu, das Menschen ausgegrenzt werden, die sich nicht den willkürlich-mittelalterlichen Regeln der jeweiligen Gemeinschaft beugen können oder wollen. Die Spanne der Reaktionen auf nichtkonformes Verhalten mit diesen archaischen Regeln reicht vom Ausschluss aus der Gemeinschaft und der beruflichen Diskriminierung Wiederverheirateter, Homosexueller oder schlicht Andersdenkender bis hin zu Enthauptungen von bekennenden Atheisten und eben Anschlägen, die hunderte von Menschenleben fordern.
Einige mögen sagen: Aber das ist doch nur „Missbrauchte Religion“, die als Ausrede verwendet wird um politische Ziele oder Gewalt zu rechtfertigen. Hier muss man sich fragen: Warum akzeptieren Menschen das als Ausrede? Als legitimen Grund? Weil es die perfekte Lüge ist! Religion ist eine Lüge, die sogar behauptet, dass Beweise die gegen sie sprechen, Beweise für sie und ein noch festerer Grund für den Glauben sind. Wir müssen aufhören, dieses Märchen zu verbreiten, in die Köpfe unserer Kinder zu pflanzen. Nur so können wir diese irrationale Ausrede, mit der jeder alles legitimieren kann, loswerden, denn jegliche Form des Glaubens an diese Lüge trägt in sich, anderen Glauben zu akzeptieren, ja gar zu verteidigen was andere im Namen des Glaubens anrichten – selbst wenn es den eigenen Grundsätzen widerspricht.
In Zeiten, in denen wir nicht mehr mit der Fackel eine Nachbarhütte anzünden oder mit der Keule einen Andersdenkenden erschlagen, sondern uns durch automatische Gewehre, Sprengstoff, Marschflugkörper und Atomwaffen die Möglichkeit offen steht, auf grausamste Weise Mitmenschen in großer Zahl zu verstümmeln und zu töten, müssen wir endlich umdenken. Unsere Gesellschaft muss aufhören, sich durch religiös-totalitäres Gruppendenken bestimmen zu lassen, Religion – egal in welcher Geschmacksrichtung – darf keine öffentliche Rolle spielen, muss sich aus Politik und Gesellschaft heraushalten damit diese tödliche Diskriminierung endlich aufhört. Daher: Betet nicht für Paris, sondern tretet für eine aufgeklärte, nichtreligiöse Gesellschaft ein, in der endlich alle Menschen gleich und nicht „die Anderen“ sind.
Links zu Kommentaren und Übersichten
- „Erste Reaktionen aus Frankreich“ · Nachrichtenüberblick von Carsten Pilger
- „Die Wurzel des Terrors liegt tiefer“ · Kommentar von Carsten Pilger
- „Beten hilft nicht gegen religiösen Fundamentalismus“ · Meldung der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs)* · Auf Facebook
- „Solidarität und Gedenken“ · Presseschau von Frank Nicolai
- „Entsetzen und Trauer über die mörderischen Anschläge von Paris“ · Pressemitteilung des Humanistischen Verbandes Deutschland (HVD)**
- Stellungnahme des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA)**
- Kommentar von Lale Akgün (Facebook)
- Kommentar von Hamed Abdel-Samad (Facebook)
* Verweis von http://hpd.de/artikel/12421 übernommen; dort evtl. weitere Kommentare.
** Verweise von http://hpd.de/artikel/12424 übernommen; dort evtl. weitere Kommentare.
…
Siehe auch die Renzension: Die neuen Dschihadisten. IS, Europa und die nächste Welle des Terrorismus