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Hirnrissig

Hirnrissig

Neutrales

Dass jemand ein popularwissenschaftliches Buch teilweise in einer thekengesprächsartigen Flapsigkeit schreibt, stört mich nicht weiter. Dass er mir nichts Neues erzählt auch nicht, es gibt ja auch Menschen, die sich nicht über 10 Jahre aus zig Quellen über ein Thema bereits informiert haben.

Das der Schreibstil nicht ganz einheitlich ist und vom beiläufigen Geplauder mit eingestreuten Informationsbrocken bis zum didaktisch durchlaufenden Gedankengang variiert und manchmal ganz ohne erfrischende, blumige Assoziationen auskommt, stört mich auch nicht, sollte aber in einem lektorierten Buch (kein Eigenverlag) nicht vorkommen.

Negatives

Dass der Autor in Kapitel 1 bei der Erklärung des Lärms des MRT den Effekt der Magnetostriktion nicht erwähnt, ist unwichtig.

Warum er jedoch in Kapitel 8 keine der möglichen Quellen des 10-%-Mythos* nennt ist mir völlig schleierhaft.

Ob im Kapitel 13 der Querverweis auf das Schlafverhalten großer, simulierter neuronaler Netze richtig gewesen wäre, kann ich jetzt leider nicht sagen. Ich habe für dieses emergente Phänomen des Schlafbedarfs nur die Sekundärquelle in einem Buch von Michio Kaku. TBD!

Das im Kapitel 3 über die Hirnareale kein bisschen auf Erklärungsansätze über die Lokalisierung von Hirnfunktionen durch Vererbung (Sehzentrum, Riechzentrum, Stammhirn, …) oder durch die nützliche räumliche Nähe im Zuge der Embryonalentwicklung (Broca- & Wernicke-Areale, …) eingeht, kann ich auch nicht verstehen.

An dieser Stelle wäre es auch passend gewesen wieder einmal die Neuroplastizität, die sich von der ersten Zelldifferenzierung bis zum Ableben findet und möglicherweise erklärt, warum die sog. Körperlandkarte bei jedem Menschen anders aussehen kann.

Was ich aber wirklich vermisse ist oft der klare Faden eines Gedankengangs. Es hätte mir genügt, wenn die eingestreuten, wesentlichen Informationsbrocken in einem Absatz am Ende jedes Kapitels zusammengefasst worden wären.

Positives

Ausgerechnet Kapitel 17 über die Spiegelneurone liest sich am flüssigsten, locker aber ohne den Plauderton der ersten Kapitel. Ich hätte hier Ockhams Rasiermesser zusätzlich noch genutzt um die Bedeutung »Gahndi-Neuronen«** auf ihre vermutlich Grundaufgabe, unsere unglaubliche Nachahmungsfähigkeit zurückzuschrauben. Nichtsdestotrotz stimme ich ihm in der Interpretation zu.

Fazit

JA: Wenn Sie noch nie in ihrem Leben ein Buch über Neurowissenschaften gelesen haben und überhaupt ungern lesen, dann ist das Buch mein Tipp. Man kann jedes Kapitel unabhängig voneinander auch als Einschlaflektüre lesen. Und es enthält keinen phantasierten Unsinn. Das die ein oder andere Information, die meines Erachtens zum Standard gehört fehlt, ist zu vernachlässigen.

NEIN 1: Sollte ihnen ein schnoddriger Plauderton allerdings nicht in Informationstexten zusagen, dann lassen sie das Buch besser bleiben.

NEIN 2: Wenn Sie aber schon Oliver Sacks, Vilayanur Ramachandran, Merlin Donald und Daniel Goleman als Unterhaltungsliteratur goutieren können, dann brauchen Sie dieses Buch nicht.


Links

Website des Autors

Verlagsinformation

Brain baloney has no place in the classroom


* Ich kenne die Geschichte, dass er aus einem Tierexperiment kommt, bei dem das Versuchstier mit nur 10 % Resthirnmasse noch lebensfähig war.

** Ich vermute dass Vilayanur Ramachandran als Rampensau diese populistische Bezeichnung in Anspielung auf seine indische Abstammung genutzt hat.


TBD

Wechselspiel zwischen produzierenden und inhibitierenden Hirnfunktionen bei der Kognition.

Auflistung der 10 oder mehr Sinne und Unterteilung in bewusste und unbewusste Wahrnehmungen.

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